INHALT
Nach dem Tod ihres Mannes zieht Rosaria Parondi (Katina Paxinou) mit ihren vier Söhnen aus Sizilien ins ferne Mailand, wo sich ihr ältester, Vicenzo (Spiros Focas), bereits niedergelassen hat. Zuerst übernachten sie auf der Strasse, dann beziehen sie eine Kellerwohnung, wo die Abwartin sie mit «Afrikaner» schimpft. Jeder der fünf Brüder versucht in der fremden, kalten und abweisenden Metropole auf seine Weise zu bestehen: Vicenzo hat eine rechtschaffene Arbeit als Angestellter und eine Frau, Ginetta (Claudia Cardinale), gefunden und schlägt sich mehr schlecht als recht durch; Ciro (Max Cartier) lässt sich als Arbeiter ausbilden und beginnt politisches Klassenbewusstsein zu entwickeln, was er dem jüngsten, Luca (Rocco Vidolazzi), am Schluss mit auf den Weg gibt, als dieser zurück in die Heimat geht; Simone (Renato Salvatori), der scheinbar Stärkste und der ganze Stolz der Mutter, wird Boxer, lässt sich von den Lastern der Grossstadt verführen und lebt ohne Rücksicht auf Verluste; Rocco (Alain Delon) ist sein pures Gegenteil: Aufopfernd verzeiht er alles und jedem und stellt die Solidarität innerhalb der Familie über alles. Als Simone sich in das Strassenmädchen Nadia (Annie Girardot) verliebt, schreckt er vor nichts zurück, um sie zu beeindrucken: Er betrügt seinen Bruder Rocco, stiehlt, terrorisiert die Familie. Rocco hingegen will Nadia retten und vom Guten in der Welt überzeugen. Die Brüder werden zu Konkurrenten. Die zarte Liebe, die sich zwischen Rocco und Nadia entwickelt, wird von Simone brutal im Keim erstickt, als er Nadia vor Roccos Augen vergewaltigt. Doch wenn Rocco schon nicht retten kann, kann er sich wenigstens opfern: Es beginnt ein Kampf auf Leben und Tod.
Luchino Visconti kehrte mit «Rocco e i suoi fratelli» zu seinen neorealistischen Anfängen zurück, wobei er diesmal kein Einzelschicksal in den Mittelpunkt des Films stellte, wie etwa in seinem Zweitling «La terra trema», sondern die Familie. Visconti verbindet in dem Familienepos meisterhaft Gesellschafts- und Sozialkritik mit einem Drama von altgriechischen Dimensionen. Wie drei Jahre später wieder in seinem bekanntesten Werk, «Il Gattopardo», verschmilzt er auch in «Rocco e i suoi fratelli» Form und Inhalt zu einem beeindruckenden und ergreifenden Ganzen. Salvatori, ein bekannter Charakterdarsteller vieler italienischer und französischer Filme, heiratete im wirklichen Leben seine Filmpartnerin Annie Girardot nach dem Dreh. Wie viele seiner Filme musste Visconti auch «Rocco e i suoi fratellei» vor der Premiere stark kürzen, so fiel etwa die Vergewaltigungsszene der Schere der Zensoren zum Opfer. Noch kürzere Versionen waren im Ausland im Verleih, bis Viscontis Kameramann Giuseppe Rotunno 1991 den Film in seiner originalen Länge wiederherstellte. SRF1 zeigt «Rocco e i suoi fratelli» anlässlich des 87. Geburtstages von Alain Delon in der ungekürzten Originalversion.